Ja, das hab ich selbst gestrickt! Oder Warum wir mit unseren Werken ruhig angeben dürfen

Stricktreffen, Wollfestivals und Knit Nights sind nicht nur deshalb großartig, weil wir dort neue, spannende Garne kaufen oder Workshops besuchen können – nein, die Hauptattraktion sind immer die anderen Strickerinnen. Und zwar nicht nur, weil es schön ist, wenn jemand versteht, was an verschränkten Maschen so anstrengend ist oder warum 132 Stränge Sockengarn im Schrank kein Grund für hochgezogene Augenbrauen sind. Nein, das Highlight eines jeden Stricktreffens ist, wenn uns jemand spontan über die Schulter streicht und sagt: Wow! Was für eine tolle Jacke! Und was für ein schönes Tuch! Wie lange hast du dafür gebraucht? Wahnsinn! Das möchte ich auch mal stricken! Da wird nicht nur die Schulter, sondern die Strickerinnenseele gleich mit gestreichelt. Denn im Alltag begegnet uns das viel zu selten: Lob und Anerkennung für unsere selbst gestrickten Meisterwerke.



Ich denke da an eine Szene, die schon ein paar Jahre her ist. Ich war mit einer Freundin verabredet, die auch gerade ein Baby bekommen hatte. Am Abend vorher hatte ich gerade die letzten Fäden meiner neuen Strickjacke vernäht: Sie war aus dünnem Sockengarn mit 2-mm-Nadeln gestrickt, mit einem hübschen Jacquard-Muster in verschiedenen Rot- und Pinktönen. Ich hatte mehr als zwei Monate in jeder Minute, die mein Baby schlief, daran gearbeitet. Ich war stolz wie Bolle und natürlich würde ich diese Jacke bei unserem Treffen tragen. Während meines Strick-Endspurts hatte ich keine Zeit, die Klamotten meiner Tochter zu waschen, und so zog ich ihr einfach an, was noch da war: Sweathose, Langarmshirt und darüber eine Weste aus dunkelroter grober Wolle, die ich ein paar Jahre zuvor für meinen Sohn gemacht hatte. Sie hatte schon einige Bäuerchen und Wäschen hinter sich, war halb verfilzt und voller Pilling-Knötchen. Egal, Hauptsache das Kind hatte einen warmen Rücken!



Meine Freundin und ich verbrachten einen schönen Nachmittag zusammen, wir tranken Kaffee, erzählten von unseren Kindern. Ich in meiner neuen Strickjacke, die sie aber nicht zu beachten schien – trotz der grellen Farbkombination. Und dann, in einer Gesprächspause, deutete sie auf das verfilzte, verpillte Ding, das meine Tochter trug und fragte: „Hast du das selbst gestrickt?“ Am liebsten hätte ich Nein gesagt, denn diese Weste war nun wirklich kein Meisterstück. Aber ich nickte. Und sie sagte: „Hmmm!“ Gedacht hat sie bestimmt: Sieht man mal, beim Selberstricken kommt doch nur sowas bei raus. In diesem Moment war ich leider zu schüchtern, um keck mit den Schultern zu wackeln und zu sagen: Hey guck mal, und das hier hab’ ich grade gestern Abend fertig gestrickt!



Später habe ich mich ein bisschen darüber geärgert. Aber auch daraus gelernt: Nicht-Stricker vermuten wohl gerade bei feinen und komplizierten Strickereien immer zuerst, man habe sie irgendwo gekauft. Wir sollten ihnen ruhig ein bisschen auf die Sprünge helfen mit mehr oder weniger dezenten Hinweisen: „Schau mal, ist reines Alpaka. Hab ich sechs Wochen für gebraucht!“ 
Und uns bei der Knit Night ein bisschen streicheln lassen können wir natürlich trotzdem.

Martina Behm
Strickdesignerin

Illustration: Julie Levesque

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